Erneute Verzweiflungstat

Die tragischen Verzweiflungstaten scheinen sich zu häufen. Es kam schon wieder zu einem erweiterten Suizid. Leider werden diese furchtbaren Fälle nur klein und unscheinbar in den Medien erwähnt. Eine grössere Berichterstattung würde sicherlich einige Leute zum Nachdenken bewegen, wie schlimm es mittlerweile in der Gesellschaft geworden ist.

Mord und Selbstmord
Ein älteres Ehepaar wurde erschossen aufgefunden, diesmal von einer Heimbetreuerin und nicht vom Schlüsseldienst. Es muss schockierend für die Frau gewesen sein, denn man findet ja nicht jeden Tag Leichen mit Kugeln im Körper oder Kopf. Diese Bilder gehen einem nie mehr wieder aus dem Kopf. Man träumt davon, man denkt daran, man wird von diesem Schreckensszenario regelrecht verfolgt.

Milderung durch Verarbeitung
Eine kleine Hilfe ist, wenn man es schafft darüber zu sprechen, oder so wie darüber zu schreiben. Dennoch, verschwinden tun die Bilder nie. In meinem furchtbaren Buch „Endlich bin ich erlöst“ verarbeitete ich die grauslichsten Aufträge als Schlüsseldienst in der Grossstadt. Ein Buch voller toten Menschen.

Mord und Selbstmord in der Grossstadt gehört scheinbar bald zur Normalität.

Mord und Selbstmord in der Grossstadt gehört scheinbar bald zur Normalität – Im Buch geht es um ähnliche Fälle

Selbstmord Drama in Nordrhein-Westfalen

Wie gross muss die Verzweiflung einer Mutter sein, wenn sie ihre beiden Töchter (6 und 7) durch eine Giftspritze tötet und anschliessend sich selbst das tödliche Mittel injiziert? Dies geschah in der Stadt Neheim in NRW, vor einigen Tagen.
Eine andere Frage ist jedoch ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger. Die Frau war eine Ärztin, keine normale Ärztin, nein sie war Anästhesistin in einem Krankenhaus. Daher hatte sie auch den Zutritt zu dieser tödlichen Substanz. Eines der schwersten Facharztstudien überhaupt. Die Ärztin war täglich in Kontakt mit anderen Ärzten, mit anderen Fachärzten, wie es so ist im Alltag eines Krankenhauses.
Niemand dieser elitären Spezialisten hatte den Zustand ihrer Kollegin bemerkt? Es tut mir leid lieber Leser, aber dieser Fall müsste genauer aufgerollt werden und penibel untersucht. Eine Frau plant den Mord an ihren zwei Kindern und an sich selbst und keiner ihrer studierten und hochkarätigen Kollegenschaft merkt das? Keiner hat den Zustand gesehen?
Bei einer solchen Tat muss es Vorzeichen geben!

Meines Erachtens stellen sich drei mögliche Varianten:
1 Die Ärztekollegen haben es nicht bemerkt (extrem schlechte Ärzte)
2 Die Ärzte haben es gemerkt und es war ihnen egal
3 Die Selbstmörderin (und Doppelmörderin) wurde in den Suizid gedrängt. (Mobbing, Erpressung, Nötigung,….

Warum auch immer es zu dieser extremen Tat gekommen war, es wirft kein gutes Licht auf die Klinik und die dort arbeitenden Ärzte. Ich möchte dort kein Patient sein, wenn dies geschehen kann.

Andere extreme Fälle in Endlich bin ich erlöst

Seine Kinder und sich selbst mit einer Giftspritze zu töten, ist schon sehr selten und extrem. Es zeugt von einer Aussnahmesituation

Seine Kinder und sich selbst mit einer Giftspritze zu töten, ist schon sehr selten und extrem.
Es zeugt von einer Ausnahmesituation

Jänner der 14te – 06:00h

Ein einheitliches Guten Morgen gehaucht in die klirrend kalte Winterluft vereint die kleine Gesellschaft der anwesenden Männer und zeugt von ihrer Zusammengehörigkeit. Ausgestossener Atem bildet graue Wölkchen und vereinigt sich zu einer grossen grauen aufsteigenden Dampfwolke über der Gruppe, um sich
auch sofort wieder im frostigen Nichts aufzulösen. „Alle da? Fangen wir an!“ Die Männer sehen sich um und nicken einheitlich. Der Trupp setzt sich in Bewegung in
Richtung Zielobjekt, zur befohlenen Räumung einer Wohnung und kommt vor der Tür mit dem kaum lesbaren Schild 12 wieder zum Stillstand. Der Gerichtsvollzieher
kontrolliert noch mal die Richtigkeit, indem er die Nummer mit seinen Unterlagen vergleicht. Mietrückstand, Fristenversäumung, das übliche Dilemma
eben. Dann schlägt er heftig mit einer Münze an die abgeschlagene Tür und wartet einige Sekunden, bis er seine Schläge lauter und heftiger wiederholt. Der
Gerichtsbeamte liest den Namen der betroffenen Partei in einer Lautstärke ab, die es ermöglicht ihn auch hinter der Holztür ohne Probleme zu verstehen. Die ersten
neugierigen Nachbarn öffnen die Türen und gucken bei vorgelegter Kette eingeschüchtert und gebückt durch den schmalen Spalt. Andere begnügen sich mit einem Blick durch den Spion. Deutlich hört man das metallische Geräusch der kratzenden kleinen Sichtschutzklappen aus allen Ecken und Richtungen. Aus Wohnung 12 ertönt kein Mucks. Nichts ist zu hören. Kein Geräusch, kein Flüstern. Wie tot. Wie wahr. „Schlosser fangen Sie an!“ Der Befehl! Ich packe meinen Zylinderstempel aus der
Werkzeugtasche aus, setze ihn auf das Schloss und mit einem einzigen Ruck entferne ich den gesamten Schliesszylinder. Mit einem grossen Schraubzieher schiebe ich den Riegel zur Seite und die Tür öffnet sich einige Millimeter. Sie hängt ein wenig schief in den Angeln und mit einem knarrenden Geräusch gleitet sie langsam wie von selbst weiter auf. Zentimeter für Zentimeter gewährt sie mehr Einblick ins Wohnungsinnere. Erst nur eine Handbreit, dann immer weiter, bis die Schwerkraft nicht mehr gegen den
Reibungswiderstand ankommt und die Tür stecken bleibt. Sie ist zu drei Viertel offen, genug um ausreichend Eindruck vom stattgefunden Drama zu erahnen. Ein See
geronnenen Blutes wenige Zentimeter hinterm Staffel. Schwarz und klebrig. Viel Blut, mehr als von einem einzigen Menschen. Keiner der Männer spricht ein Wort, sehen einander nur an. Das düstere Ganglicht reicht nicht aus, um den dunklen Vorraum gänzlich auszuleuchten. Der Gerichtsvollzieher blickt mich an, ich gebe ihm mit
einem kaum wahrnehmenden Nicken mein selbstverständliches Einverständnis und er greift nach einer Taschenlampe in meiner Werkzeugtasche. Der Beamte richtet den starken Strahl in die Wohnung und weicht schockiert mit weit aufgerissen Augen bis zur
hinteren Wand zurück. Er erbricht sich augenblicklich und lautstark in eine gusseiserne Basena, wie sie in vielen alten Häusern in Wien noch zu finden sind. Der Vertreter
der Hausverwaltung nimmt dem Gerichtsbeamter die Taschenlampe aus der Hand und stösst mit dem eisernen Gehäuse der Lampe die Tür vollständig auf. Nun haben
alle am Gang stehenden Männer Einblick in die Substandardwohnung, ohne Strom und ohne Wasser. Der Lichtkegel trifft auf eine Gruppe sitzender Personen. Erstarrt vor Schreck bleibt der Hausverwalter stehen und leuchtet die am Boden sitzenden Menschen frontal an. Die Sitzgruppe wirft einen bizarren Schatten an die Wand. Der Gerichtsbeamte übergibt sich einstweilen geräuschvoll weiter. Auch ich kann mich dem schaurigen Bild nicht entziehen. Im rückwärtigen Teil des kleinen Raumes sitzt eine Frau. Links und rechts von ihr kauern zwei kleine Kinder. Die Gesichter fest in der Seite ihrer Mutter vergraben. Die Mutter breitet ihre Arme wie schützende Flügel über die ganz jungen Menschen. Der ganze Raum ist überflutet mit Blut. Die Kinder weisen
tiefe Schnittwunden an der Unterseite beider Handgelenke auf, exakt beim Puls. Die Hände waren beinahe abgetrennt, mit solch Kraft wurde den Kindern die Wunden zugefügt. Die Mutter weist ähnliche Schnittwunden an beiden Händen auf. Blut, Blut, alles voll. Die Kleidung, der Boden, die Gesichter. Einfach alles. Der Gerichtsbeamte hat seine Übelkeit überwunden und ringt gestützt bei geöffnet Gangfenster um Luft. Alle
anderen stehen und glotzen, wie Wachsfiguren. Ich schlucke kräftig, bin als einziger zu überhaupt einer Reaktion fähig. Ich greife zu meinem Mobiltelefon und verständige Polizei und teile meinem Gegenüber mit, um welcher Art Einsatz es sich handelt. Der Polizeibeamte ist dankbar über meine Information, er wird ohne Umschweife sogleich das Spezialteam anfordern, wir sollen warten. Geistesgegenwärtig entwende ich dem
Hausverwalter die Lampe und schliesse die Wohnungstür bis auf einen winzigen Spalt. So warten wir. 20 Minuten später erscheint das angeforderte dreiköpfige erfahrene
Untersuchungsteam der Polizei. Wortlos, nur durch Kopfzeichen begrüssen wir einander. Ich zeige mit der Lampe auf die betreffende Tür. Der Dienstälteste, ein
Mann in Zivil öffnet sie erneut und weicht ebenso erschrocken zurück. Ich erhasche wiederum einen weiteren ungewollten Blick auf die getötete Familie. Mir wird ebenfalls flau, habe mich aber im Griff. Die Möbelpacker sind unterdessen gegangen. Niemand ist dies aufgefallen. Ich montiere eigenständig einen neuen Schliesszylinder, bevor mir der Polizist diese Bitte anträgt. Die Schlüssel und eine Visitenkarte übergebe ich unaufgefordert dem Mann mit dem schwarzen Aktenkoffer, es ist der Einsatzleiter und verschwinde still. Keiner spricht ein Wort, die Nachbarn haben ihre Türen wieder geschlossen. Das ganze Haus steht unter Schock, die Neugier ist dem Entsetzen gewichen. Ich sehe auf die Uhr, es ist nun 6 Uhr 42 an einem eiskalten Wintertag in
einer kalten trostlosen europäischen Hauptstadt. Ich setze mich ins Auto, starte den Motor und lasse mir nach wenigen Minuten die warme Luft durch die Gebläseöffnungen ins Gesicht strömen. Welch guter Morgen! Einige Tage später werde ich auf aufs Präsidium gebeten, um mir die üblichen Routinefragen zu diesem „Fall“ zu stellen. Der Polizist ist freundlich, aber distanziert. Es liegt an der Dramatik dieses Suizids. Die
Untersuchungen hätten es eindeutig bewiesen. Es war ein erweiterter Doppelmord mit anschliessendem Selbstmord. Die 31jährige Frau hatte zuerst ihre 5 jährige Tochter
getötet, sofort danach ihren 7jährigen Sohn durch Öffnen der Pulsadern getötet. Im sofortigen Anschluss hatte sie sich selbst ebenfalls die Pulsadern aufgeschnitten. Alle
drei Personen sind am Fundort gestorben. Der Grund für die Tat war mit hoher Wahrscheinlichkeit die bevorstehende Räumung, es wurde ein Abschiedsbrief
gefunden, in dem dies angedeutet wurde. Das Auseinanderreissen der Familie bedingt durch die nahende Trennung von ihren Kindern war für die junge Mutter eine zu grosse Bürde. Mit dem Blut vereinigten sich auch ihre Seelen und werden für immer vereint bleiben. Die Frau hatte zwei Brüder, zu denen sie jedoch keinerlei Kontakt gepflegt hatte.

Auszug aus Endlich bin ich erlöst

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